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Angst & Aggression

Zusammenhänge und was wir tun können

Hilfe Mensch, ich fühle mich bedrängt

Es sollte eigentlich niemanden überraschen, daß Angst zu Aggression führen kann. Dieses Phänomen gibt es schließlich nicht nur unter den hundeartigen Lebewesen dieser Welt, sondern auch beim Menschen. Angst kann unter bestimmten Umständen aggressiv machen!



Angst und aggressives Verhalten bei Hunden

Diese Reaktion ist ganz normal und erklärbar, denn Aggression ist eine normale und vorhersagbare Antwort in Lebewesen, die große Angst - ja sogar Angst um ihr Leben - haben! Reagiert Ihr Hund in für ihn (und nur auf sein subjektives Empfinden kommt es hierbei an, nicht auf die menschliche, rationale Einschätzung einer Situation!) angstauslösenden Situation also mit aggressivem Verhalten, heißt dies nicht, daß Ihr Hund nun verhaltensgestört ist, oder ein "Problemhund" ist. Es bedeutet zunächst einmal lediglich, daß er in bestimmten, für ihn angstauslösenden Situationen ein Problem hat, für das er im Moment keine andere Lösung hat, als mit aggressivem Verhalten zu reagieren. Die gute Nachricht ist: Mit menschlicher Hilfe kann Ihr Hund lernen, daß es für ihn auch andere, und sogar bessere Lösungsstrategien gibt.



Die Quelle der Emotion Angst

Angst ist eine Emotion, ein Gefühl, das in Tieren spontan heftige Verhaltensreaktionen auslöst. Hunde zeigen in solchen Situationen körperliche Symptome der Angst wie speicheln, hecheln, erhöhte Herzfrequenz, schwitzen an den Pfoten. Fürchtet der Hund sogar um sein Leben sind auch ganz extreme körperliche Reaktionen wie emotional bedingter Harn- und Kotabsatz oder Entleeren des Analbeutels möglich.

Die Ursache für diese heftigen körperlichen Reaktionen auf ein Gefühl der Bedrohung liegt in den Gehirnen der Säugetiere begründet. Die Gehirne von Säugetieren - und damit selbstverständlich auch die unserer Hunde - sind so strukturiert, daß sie, wenn ein Tier Angst verspürt blitzschnell und unter Umgehung des denkenden Teile des Gehirns (dem Cortex) nur noch reagieren. Dies geschieht in einem der stammesgeschichtlich ältesten Teile unserer Gehirne, der Amygdala (auch Mandelkern genannt), die zum limbischen System gehört, welches für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist.

Hilfe Mensch, ich fühle mich bedroht

Die Amygdala ist im wesentlichen dafür verantwortlich, Situationen in die ein Tier gerät zu bewerten und zu analysieren, um mögliche Gefahren sofort zu erkennen, und das Tier zu einer nicht verstandesmäßig steuerbaren Reaktion zu veranlassen.

Der Mandelkern gleicht Infomationen aus einer aktuellen Situation mit früher bereits erlebten, ähnlichen Situationen ab. Traumatische Erlebnisse werden z.B. direkt in der Amygdala abgespeichert, damit sie rasant schnellen Zugriff darauf hat. Tritt eine Situation ein, die als "gefährlich" erkannt wird, so schlägt die Amygdala sofort "Alarm", indem sie z.B. Stresshormone wie Adrenalin oder Noradrenalin ausstößt. Die Folge sind die entsprechenden emotionalen Zustände wie Trauer, Wut oder auch Aggression, sowie körperliche, wie Herzrasen, Schwindel, Übelkeit.

Da die "Alarm"-Meldungen von der Amygdala zum Großhirn um ein vielfaches schneller sind, als andersherum, lernt das Gehirn schneller auf Gefahren zu reagieren, indem der Mandelkern blitzschnell reagiert, noch bevor es zum rationalen denken kommt.

Dies macht bei genauer Betrachtung ja auch Sinn: Befindet ein Tier sich in einer akuten Gefahrensituation (z.B. ein Auto rast auf Sie zu und ist nur noch wenige Meter von Ihnen entfernt), macht es keinen Sinn erst einmal darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten Ihnen jetzt bleiben, um der Gefahr der Verletzung oder schlimmerem zu entgehen - denn Sie haben nur noch wenige Sekunden Zeit. Der rettende Sprung aus der Gefahrenzone muß SOFORT kommen, nicht erst nach Abschluß der Denkprozesse im Cortex.

Die Stressmeldungen vom Mandelkern zum Gehirn gleichen einer 6-spurigen Autobahn, während der Weg vom rationalen denken zurück zur Amygdala eher einem selten befahrenen Feldweg ähndelt.

Ein Hund also, der z.B. bei der Annäherung eines fremden Menschen Angst verspürt, denkt und analysiert nicht erst in Ruhe die Situation, sondern er reagiert - weil er gar nicht anders kann, und unabhängig davon, ob sein Mensch die Situation ebenfalls als gefährlich einstuft oder nicht (weil sein Mensch z.B. den sich nähernden "gefährlichen" Menschen gut kennt, und weiß, daß dieser harmlos und ein Freund ist)!



Wie können wir unserem Hund helfen?

Die oberste Grundregel sollte dabei sein, daß man ängstliche Hunde nach Möglichkeit gar nicht erst in Situationen bringt, in denen die Hunde - aus ihrer Sicht (und nur auf die kommt es hier an!) - aggressiv reagieren müssen.



Distanz ist hilfreich

Die genauen Umstände, in denen sich ein bestimmter Hund in einer für ihn potentiell "gefährlichen Situation" noch sicher fühlt, sind allerdings genau so individuell wie die Hunde selbst. Was aber häufig ähnlich ist, ist die Tatsache, daß eine größere Distanz zu dem "gefährlichen Ding" hilfreich ist!

Abstand halten bei Angst

Ob eine Distanz noch ausreicht oder nicht mehr, können Sie am besten daran festmachen, ob Ihr Hund noch auf Ansprache reagieren kann, oder ob er z.B. noch ein Leckerchen von Ihnen annehmen kann. Reagiert er gar nicht mehr auf Ansprache, und kann auch kein Leckerchen mehr essen, ist die Distanz zu dem angstauslösenden Reiz bereits viel zu klein. Vergrößern Sie daher die Distanz bitte wieder, indem sie z.B. in die Gegenrichtung gehen!



Management, Gegenkonditionierung und Desensibilisierung

Kommt Besuch in unser Haus, und der Hund ist offensichtlich besorgt darüber, können wir schon im Vorfeld viel für das Wohlbefinden und Wohlverhalten unseres Hundes tun, um unangenehme oder gar gefährliche Zwischenfälle zu verhindern.

Bringen Sie Ihren Hund z.B. in einen anderen Raum und benutzen Sie z.B. eine Kindersicherungstür, die sie im Türrahmen anbringen können. So kann der Hund den Besuch zwar sehen aber er ist in einem größeren Abstand zu den Ankömmlingen (und bitte sagen sie dem Besuch, daß er den Hund nicht begrüßen soll!). Durch diese einfache Management-Maßnahme könne Sie Ihrem Hund schon eine große Erleichterung verschaffen.

nicht mehr so nahe

Wenn Sie ihm nun noch, immer wenn Besuch kommt und er (bevor der Besuch zur Tür hereingebeten wird) auch noch ein besonders schmackhaftes Leckerchen, mit dem er eine Weile zu tun hat, bekommt, dann wird er die Situation sogar als noch angenehmer empfinden. Bringen Sie ihren Hund nun auch regelmäßig in seinen "sicheren Hafen" und geben ihm IMMER ein besonders schmackhaftes Leckerchen (z.B. einen gefüllten Kong), dann wird er nach relativ kurzer Zeit lernen, daß der einst so "gefährliche Eindringling" immer etwas für ihn sehr angenehmes (nämlich sein besonderes Leckerchen) ankündigt. Und hier befinden wir uns bereits mitten im Prozess der Gegenkonditionierung.

Vereinfacht ausgedrückt funktioniert Gegenkonditionierung so: Immer wenn die "gefährlichen Eindringlinge" kommen, kündigen diese etwas für den Hund sehr angenehmes an. Voraussetzung dafür, daß die Gegenkonditionierung funktioniert ist lediglich das Eintreten des "gefährlichen" Reizes für den Hund und das er es zuvor wahrnimmt. Als nächstes kommt dann IMMER das angenehme Ereignis (Leckerchen) für den Hund. Erwarten Sie in diesem Stadium nicht zuviel von ihrem Hund, und warten Sie bitte NICHT darauf, daß er sich erst beruhigen muß und brav sein soll - sondern geben Sie ihm sein Leckerchen, sobald er den unangenehmen, gefährlichen Reiz wahrgenommen hat.

Ganz wichtig hierbei ist auch, daß der Hund nicht zu nah an den für ihn unangenehmen, gefährlichen Reiz herangeführt wird, sondern immer in einem für ihn akzeptablen Abstand zu diesem Reiz gehalten wird.



Emotionen können nicht durch Belohnungen verstärkt (= gelernt) werden

Und keine Angst: Durch das Leckerchen werden Sie in keinem Fall die evtl. aggressive Reaktion Ihres Hundes "belohnen". Angst und/oder Aggression kann man nicht durch Gabe von Leckerchen "belohnen".

Wenn Ihr Hund Angst hat, aber noch in der Lage ist ein Leckerchen zu nehmen, wird er zukünftig nicht noch mehr Angst haben. Warum das so ist, können Sie hier nachlesen: Der Mythos von der Verstärkung der Angst beim Hund



Dopamin ist unser Helfer im Training

Wenn ein Tier etwas isst, wird es sich mit jedem Bissen ein klein wenig besser / glücklicher fühlen. Dies ist ein ganz normaler Prozess, weil allein schon durch die Erwartung des Hundes, das er jetzt ein Leckerchen bekommt, vom Belohnungssystem seines Körpers Dopamin ausgeschüttet wird - und das führt dazu, daß er sich mit jedem Bissen ein klein bisschen besser fühlen wird.

Training hilft gegen Angst

Nun kann kein Lebewesen gleichzeitig zwei sich diametral entgegengesetzte Gefühle haben. D.h. Ihr Hund kann nicht gleichzeitig Angst haben und sich mit jedem Bissen den er nehmen kann besser fühlen. Das ist ebenfalls unmöglich.

Eine Seite wird gewinnen. Und je mehr kleine Leckerchen Sie ihrem Hund in einer für ihn "gefährlichen" Situation geben können, desto mehr Dopamin wird freigesetzt und desto besser wird er sich auf lange Sicht fühlen.

Dies ist auch der Grund, warum die Gegenkondtionierung, wie oben beschrieben, auch funktionieren wird - auch wenn der Hund sich gar nicht bewußt dazu entschieden hat, das er sich künftig bei ankommendem Besuch wohler fühlen will: Es ist ein biochemischer Prozess, der sich der bewußten Kontrolle entzieht.



Gewünschtes Alternativverhalten muß trainiert werden

Gleichzeitig - aber unabhängig von der konkreten Situation in der Ihr Hund Angst hat - sollten Sie mit ihm ein geswünschtes Alternativverhalten trainieren, welches Ihr Hund zukünftig in solchen Situationen zeigen soll. Dies machen Sie bitte zunächst in ruhiger Atmosphäre und nicht gerade dann, wenn Ihr Hund durch seine Angst ohnehin schon gestresst ist. Stress und Angst verhindern nämlich erfolgreiches Lernen!

Wie wäre es, wenn Ihr Hund statt den Besuch anzubellen, sich zukünftig auf seinen Platz in der anderen Ecke des Zimmers legen würde, um dort sein Leckerchen zu geniessen - oder später einmal ruhig vor sich hinzudösen? Hört sich das gut an? Gut, dann üben Sie mit Ihrem Hund diese Situation! Trainieren Sie mit ihm auf ein gegebenes Wort hin, sich auf seinen Platz zu legen und dort auf seine Belohnung zu warten.

Immer ein bischen mutiger

Wenn dies in ruhigen, ablenkungsarmen Situationen klappt, aber noch nicht so gut, wenn tatsächlich Besuch kommt, dann helfen Sie Ihrem Hund, indem Sie ihm z.B. einen gemütlichen Kennel auf seinen Platz hinstellen. Den Kennel sollte Ihr Hund allerdings schon kennen und ihn mögen (auch dies kann man mit Leckerchen prima und oft recht schnell antrainieren). Wichtig ist in jedem Fall: Ihr Hund sollte sich wohl in dem Kennel fühlen - auch bei zeitweilig geschlossener Tür!

Klingelt nun der Besuch an der Türe, bringen Sie Ihren Hund - bevor Sie den Besuch hereinbitten - in seinen Kennel, geben ihm sein Leckerchen, und schließen die Kenneltür. Dann darf der Besuch das Zimmer betreten (und sollte auch hier bitte Abstand davon nehmen, den Hund im Kennel zu begrüssen!). Wenn sich Ihr Hund nach einiger Zeit dann schon von allein in den Kennel bewegt um dort auf sein Leckerchen zu warten... herzlichen Glückwunsch! Ihr Hund hat gelernt, wo er sicher ist, und es ihm gut geht!

Nun können Sie anfangen die Kenneltür offen stehen zu lassen, und das Training fortsetzen. Und nach einiger Zeit, tauschen Sie z.B. den Kennel wieder gegen das Körbchen ihres Hundes aus, und er bekommt seine Belohnung dort, während Sie und Ihr Besuch eine ungestörte, angenehme Plauderstunde verbringen können...



2016, www.teckel-on-tour.de