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Dominanztheorie

Mythos und Wirklichkeit

Niels auf dem Weg zur Weltherrschaft?

Immer, wenn ein Hund sich entgegen den (oft auch ungeäußerten) Wünschen und Vorstellungen seiner Menschen verhält, wird er auch heute noch von vielen "Experten" schnell als "dominanter Hund" enttarnt. "Dominante Hunde" streben nach Meinung dieser "Experten" zunächst einen höheren Rang innerhalb seiner Familie an, um letztlich irgendwann - wenn Mensch dieser Entwicklung nicht unverzüglich Einhalt gebietet - die Weltherrschaft zu übernehmen...

In der Regel wird meist zu einem sogenannten "Rangreduktions-Programm" geraten, das den Hund wieder "auf seinen natürlichen Rang reduzieren" soll. Zu diesem "Rangreduktions-Programm" gehören dann u.a. Dinge wie z.B.:

daß der Hund als letzter durch die Türe geht (denn "der Alpha" geht immer zuerst),
daß er als letzter was zu essen bekommt (denn "der Alpha" isst immer zuerst),
daß er ständig aus dem Weg gehen soll wenn ein Mensch passieren will, auch wenn der Hund gerade tief und fest schläft (weil der "Untergebene" immer "dem Alpha" Platz zu machen hat),
daß er nie ein Zerrspiel gewinnen darf (weil immer "der Alpha" gewinnt).

Sollte der Hund gar auf dem Sofa liegen, und knurren wenn sein Mensch ihn unsanft von selbigem entfernen will (weil ja nur "der Alpha" die besten und bequemsten Plätze nutzen darf), dann muß Mensch allerdings auch zu härteren Methoden greifen, und den Hund z.B. mit der sog. "Alpha-Rolle" "therapieren".



Unsere Meinung zum "Rangreduktions-Programm" und "Alpha-Würfen"?

Bitte ersparen Sie sich und Ihrem Hund einen derartigen Unsinn!

Wissenschaftlich sind die Methoden des "Rangreduktions-Programms" wie auch die Anwendung der "Alpha-Rolle" nicht haltbar. Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, daß freilebende Hunde und Wölfe dererlei "Techniken" auf Ihresgleichen anwenden. Was aber sicherlich passieren kann ist, daß Sie die Situation zuhause mit solchen "Techniken" unnötig eskalieren und verschlimmern. Insbesondere durch die Anwendung der "Alpha-Rolle" kann eine Situation vollständig aus dem Ruder laufen, weil Ihr Hund sich von Ihnen plötzlich (aus seiner Sicht übrigens völlig zu Recht!) angegriffen und massiv berdroht fühlt. Und in so einer Situation kann es passieren, daß auch der ansonsten freundlichste und gutmütigste Hund plötzlich zubeißt, weil er schlicht und ergreifend denkt, er müsse nun gegen sie um sein Leben kämpfen...

In Ihrer Veröffentlichung "Dominance in domestic dogs - useful construct or bad habit?" (Dominanz bei Haushunden - nützliches Modell oder schlechte Angewohnheit?) belegen die Autoren, daß Hunde nicht davon motiviert sind, ihren Platz in der Rangordnung ihres Rudels zu behaupten, wie viele bekannte Hundetrainer das leider immer noch predigen.

Dr. Rachel Casey, Leiterin der Abteilung "Companion Animal Behaviour and Welfare" der Bristol University, sagt:

"Die pauschale Annahme, daß jeder Hund durch ein inneres Verlangen zur Kontrolle von Menschen oder Hunden getrieben wird, ist, offen gesagt, lächerlich. Dies unterschätzt in großem Maße die komplexen kommunikativen Fähigkeiten und Lernbereitschaft von Hunden. Diese Annahme führt ebenso zu aversiven Trainingstechniken, welche tierschutzrelevant sind, und aktuelle Verhaltensprobleme erst auslösen."



Die Entwicklung der Dominanztheorie

Die Dominanztheorie wurde entwickelt, um die Beziehungen zwischen Mitgliedern organisierter Tiergesellschaften beschreiben, erklären und vorhersagen zu können. 1802 entdeckte Pierre Huber erstmalig Rangordnungen bei Hummeln. 1922 wurde dieses Modell von Schjelderupp-Ebbes auf Wirbeltiere angewendet. Seine Arbeit beschrieb das Sozialverhalten von Hühnern, die einfache, lineare Hierachien für den Sozialstatus bilden (die sog. "Hackordnung").

Seither haben viele Forscher behauptet, daß Dominanz ein Merkmal sozialer Beziehungen sei, und haben diese Theorie in Bezug auf weitere Tierarten untersucht. In Folge von Schwierigkeiten mit dieser starren, bei Hühnern beobachteten "Hackordnung", auch die Beziehungen anderer Tiergesellschaften beschreiben zu können, mußten die Forscher die Dominanz-Theorie immer wieder anpassen, umformulieren oder anderweitig erweitern, damit die Dominanz-Theorie noch auf die von den Forschern gemachten Beobachtungen zutraf.

Schnauzenzärtlicheiten

Als Ergebnis dieser jahrelangen Forschungen, Kontroversen und Debatten kommt es häufig zu Mißverständnissen und Verwirrung. Häufig diskutieren Wissenschaftler (und nicht nur die) die Dominanz-Theorie ohne eine präzise und klare Definition im Fokus zu haben, oder sie gehen möglicherweise auch von verschiedenen Definitionen aus. Widersprüchliche Versuchsergebnisse spiegeln vermutlich unterschiedliche Prämissen wider und fördern damit weiter die Verwirrung, die die Dominanztheorie umgibt. Wichtig anzumerken bleibt, daß bis heute immer noch keine Einigkeit darüber besteht, was "Dominanz" bedeutet [Drews, C. (1993). The concept and definition of dominance in animal behaviour. Behaviour 125(3-4), 283-313)]!

Eine weitere wichtige Grundlage für die Verbreitung der populäre "Dominanztheorie" war eine Studie über Wölfe von David Mech, die er in seinem Buch "The Wolf: Ecology and Behavior of an Endangered Species", welches er 1968 geschrieben und 1970 erstmals veröffentlicht hat. 1981 wurde dieses Buch dann als Taschenbuch nochmal veröffentlicht, und wird immer noch vertrieben, obwohl Mech selbst mittlerweile unzählige Male an die Verleger geschrieben hat, und darum bat, dieses Buch nicht mehr zu vertreiben, da die darin enthaltenen Informationen völlig veraltet und nicht richtig sind.

Eines der gravierendsten Probleme der Dominanztheorie ist, daß die Theorie vom "Alpha-Hund" der sich gegenüber seinen "Untergebenen" immer und in jedem Fall durchsetzen muß - egal mit welchen Mitteln - 1:1 auf das Verhältnis des Menschen auf seinen Hund übertragen wurde!

In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzustellen, daß es keine einzige wissenschaftliche Studie gibt, welche die "Dominanz" gegenüber dem Menschen beim Hund belegen würde!



Stimmt die Gleichung "Dominanz = Aggression"?

Die Anwendung der Dominanztheorie in der Hundeerziehung mit ihren "Rangreduktions-Programmen" schafft jedoch mehr Probleme, als das sie lösen könnte. Menschen setzen gern "Dominanz" mit "Aggression" gleich, was dazu führt, das sie "dominant sein" als eher körperliche Überlegenheit interpretieren, die dann gegenüber dem Hund auch mit physischer Gewalt oder Mittel, die - isoliert und in anderen Zusammenhängen betrachtet - eher als "Psychoterror" durchgehen würden, durchgesetzt wird.

Submissives Verhalten des Sohns gegenüber seiner Mutter

Verhaltensbiologisch betrachtet, ist Dominanz KEINE (Charakter-)Eigenschaft eines Tieres, sondern immer Ausdruck einer sozialen Beziehung. Unter sozialer Dominanz wird die Durchsetzung eines Tieres gegen einen Artgenossen verstanden, die darüber bestimmt, wer als erster, zu einem bestimmten Zeitpunkt, den Zugriff auf eine bestimmte Ressource hat. Sie ist weder eine angeborene Eigenschaft noch beschreibt sie ein „Dauerverhalten“ eines Tieres. Bei einer Dominanz-Beziehung handelt es sich also immer um ein komplexes Zusammenspiel des Verhaltens von mindestens zwei beteiligten Lebewesen, und ist zudem immer zeit-, beziehungs- und situationsabhängig.

Eine Dominanzbeziehung liegt dann vor, wenn einer der beiden Beteiligten regelmäßig und vorhersagbar seine Interessen gegen den anderen durchsetzen kann, ohne dafür direkte körperliche Gewalt anwenden zu müssen!

Die Dominanzbeziehung wird also erst durch die Anerkennung durch den Subdominanten, den Rangniederen, bestätigt und gefestigt! Erkennt er die Ansprüche des "Dominanten" nicht an, läßt sich also nicht dominieren (indem er z.B. Beschwichtigungsgesten zeigt und / oder sich freiwillig (!!) unterwirft), hat der "Dominante" ein Problem. Zum dominieren gehören daher immer mindestens zwei: Einer der dominiert und ein zweiter, der sich dominieren läßt!

Martin Pietralla hat in seinem Buch "Mein Clickertraining" hierzu eine eindrucksvolle Schilderung des Ausgangs einer erzwungenen Unterwerfung beschrieben. Wenn sich nämlich der "rangniedere" nicht dominieren läßt, hat der scheinbar "dominante Hund" ein Problem:

"Unser alter Schiwa zwang eines Tages Seppel, einen etwa anderthalbjährigen Mittelschnauzer, auf den Rücken. Er stand knurrend über ihm. Prima gewonnen - nicht so nach Meinung des Schnauzers. Er biss von unten Schiwa noch einen anständigen Fetzen aus der Lefze." Und er schloß daraus: "Wer in die Unterlage gezwungen wurde, muß sich noch lange nicht ergeben haben."



Was bedeutet das für die Mensch-Hund-Beziehung?

Ist ein Hund der sich beim Gassigang als erster durch die Türe quetscht nun dominant? Ganz klare Antwort: Nein, ist er nicht! Vermutlich hat er nur noch nicht gelernt, daß es sich für ihn lohnt zu warten. Oder er muß vielleicht einfach ganz dringend, und will deshalb schnell raus.

Und ein Hund der an der Leine zieht? Auch der ist nicht dominant, aber vielleicht hat er es einfach nur eilig (wenn er dieses Verhalten nur gelegentlich zeigt), oder er hat einfach noch nicht gelernt, ohne Ziehen an lockerer Leine zu laufen (dies ist übrigens die mit Abstand häufigste Ursache für leinenzerrende Hunde!).

Und wenn der Hund knurrt, wenn ich ihn vom Sofa schubsen will? Ganz ehrlich? Ich würde auch brummig werden, wenn man mich "einfach so" und evtl. noch unfreundlich vom Sofa werfen würde, Sie nicht auch? Wenn man den Platz auf dem Sofa selbst beansprucht und den Hund runter haben möchte, kann man es ihm in den meisten Fällen auch anders mitteilen. Man könnte ihn z.B. freundlich (!) ansprechen und auf seine Decke schicken, und dies dann mit einem besonderen Leckerbissen belohnen. Dies würde auch auf Dauer gesehen ähnliche Konfrontationen dieser Art von vorn herein vermeiden helfen. Auch Hunde liegen gern bequem ... und auch sie lassen sich dann - wie wir Menschen auch - nur ungern unsanft vertreiben. Dies hat aber nichts mit "Dominanz" zu tun...



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