Logo Teckel on Tour

Der Double-Blind im Training

Völlig überflüssig, oder hat er eine Berechtigung?

Pelle im Mantrail-Training

Fast kein anderes Thema polarisiert in der "Mantrailing-Szene" derart und spaltet diese sogar so, wie der double-blind Trail im Training.

Kaum fällt dieser Begriff in einer Diskussion unter Anhängern verschiedener Trail-Philosophien, schwillt nicht nur die Anzahl der geposteten Beiträge rasant an, aber ganz plötzlich werden die tiefen Gräben sichtbar, die die heutige "Mantrail-Gemeinde" teilt.

Ganz ohne Frage: Der double-blind im Mantrailen ist wie kaum an anderes Thema auf dem Gebiet der Hundearbeit und des Hundesports schon lange keine bloße "Philosophie" mehr, sonderen eher ein Glaubensgrundsatz, ein Dogma! Entweder man glaubt daran, daß double-blind Trails im Training durchaus ihre Berechtigung / Notwendigkeit haben, oder eben nicht.

Einzig der Streit um die im Hundetraining anzuwendenen Methoden, kommt in seiner Vehemenz noch an dieses Thema heran. Dies liegt vermutlich daran, daß es sich in beiden Fällen eben um "Glaubensbekenntnisse" handelt, die "die Szene" spaltet (obwohl es zumindest bei dem "Methoden-Streit" seit Jahren sich stapelnde wissenschaftliche Belege gibt, die eindeutig belegen, daß hier das positiv verstärkendes Training die sinnvollere Variante ist).



Single- und double-blind

Beim Mantrailing unterscheidet man grundsätzlich zwei Arten des Trails: Den "single-blind"- und eben den "double-blind"-Trail.

Auf dem single-blind Trail (zu deutsch "einfach blind") gibt es immer mindestens einen sogenannten "Wisser". Diese Person hat entweder (dies ist recht häufig so) den Runner - also die Versteckperson - ins Versteck gebracht, oder sie zumindest einen guten Teil des Weges begleitet. Für die restlichen Meter wird dann oft auch kurz vor Ort besprochen, wo genau der Runner sich nun versteckt. Manchmal - bei guter Ortskenntnis aller Beteiligten - wird der Trailverlauf mit dem Runner auch besprochen, und er geht alleine los, und versteckt sich am vereinbarten Ort.

Eine weitere Variante der single-blind Trails sind die markierten Trails. Hier geht der Runner oft (nicht immer, aber meistens) auch alleine los, und markiert seine Wegstrecke z.B. mit Kreide-Pfeilen, Fähnchen, Flatterband oder anderen optischen Markierungen, die sowohl das nachfolgende Trail-Team, wie auch die Entourage sehen kann. Bei dieser Variante passiert es allerdings häufig, daß sich alle (bewußt oder meistens auch unbewußt...) Beteiligten auf dem Trail mehr nach diesen Markierungen umschauen, als auf den Hund zu achten. Dies fällt besonders auf, wenn man plötzlich mal keine Folge-Markierung mehr sieht (entweder weil man sie schlicht übersehen hat, oder weil keine mehr da ist ... weil man vorher schon vom Trail abgekommen ist)...

Wisser auf dem Trail können Hunde zum Ziel schieben

Spätestens in diesem Moment, in dem niemand mehr die nächste Markierung sieht, kommt der "Trail-Fluß" ins stocken, weil sich Unsicherheit breit macht. Natürlich bekommt auch das Trailteam vorne (und hier insbesondere der Hund!) diese Verunsicherung mit. Wurde der Hund zuvor (unbewußt!) durchaus auch in die richtige Richtung geschoben, befindet man sich nun plötzlich doch auf einem "double-blind" mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen, die besonders dann verstärkt auftreten, wenn man ihn noch nie zuvor wirklich trainiert hat...

Der double-blind Trail (zu deutsch "doppelt blind") gibt es - außer dem Runner (Versteckperson) selbst - absolut niemanden auf dem Trail der weiß, woher der Runner gelaufen ist, oder wo er sich versteckt hat. Das einzige was bei einem solchen Trail bekannt ist im Training, ist der Startpunkt. Ab hier ist alles offen und alles möglich, und nur der Runner selbst weiss den Rest.

Es gibt auch keine SMS oder sonstige Nachricht vom Runner, keine Karte auf der er zuvor seinen Trail und Versteckort eingezeichnet hat, oder sonstigen Informationen oder Hinweise aus denen zu schließen wäre, wo er sich aufhält. Nix ... ein Trail also, "wie im richtigen Leben", wie in einem echten Rettungseinsatz also, wo auch niemand sagen kann, welchen Weg die vermisste Person gegangen ist...

Der wirklich einzige Teilnehmer der "Trailgemeinde", der jetzt noch eine Chance hat den Runner zu finden, ist einzig der Hund! Und nun zeigt sich, ob das Mensch-Hund-Team sauber trainiert hat, und ob der Mensch gelernt hat, die vom Hund auf dem Trail gezeigten, körperlichen Signale (z.B. "ich hab ein Problem", "kein Scent mehr", "hier ist nix - negativ" ...) wahrzunehmen und richtig zu interpretieren ... oder eben nicht. Kann der Mensch seinen Hund lesen und verstehen, und der Hund die Situation meistern, dann kommt die "Trailgemeinde" beim Runner an! Ansonsten kann man nur hoffen, daß er in keinem Funkloch sitzt, und man ihn telefonisch erreichen kann, um ihn zu bitten, doch wieder zurückzukommen...



Warum double-blind Training vielleicht keine schlechte Idee ist...

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten "bewußt" gelaufenen double-blind... Drei Tage bin ich, mit John Salem als Trainer (und "Wisser") im Nacken in Zürich Trails gelaufen. Ich selbst wußte dabei nie, wo der Trail lang ging, oder wo der Runner war. Manchmal holperte es zwar, aber ich war immer zuversichtlich, da ich natürlich wußte, daß John sicher weiß wo es langgeht. Dieses Wissen, einen "Wisser" auf dem Trail zu haben, ist ungemein beruhigend: Ich konnte mich also entspannt auf meinen Hund konzentrieren, und üben ihn zu lesen... Funktionierte auch wirklich schon sehr gut, fand ich - noch!

Götz arbeitet zielstrebig seinen Trail!

Am letzten Tag kam John zu mir und sagte (!!) , daß er mir jetzt einen double-blind hat legen lassen. Schlagartig bekam ich Puls, begann zu schwitzen und dachte nur noch "Hoffentlich kann ich jetzt den Götz noch 'lesen'...". Drei Tage lang war ich mir sicher, daß ich das schon ganz passabel hinbekam ... und mit einem einzigen Schlag verließ mich diese Zuversicht total - und das allein nur durch die Ankündigung, daß auch John diesmal nicht wußte, wo der Runner ist und wo er hergegangen ist...

Und noch etwas wurde mir in diesem Moment klar: Man kann nicht etwas leisten, was man noch nie wirklich geübt hat! Niemand kann das!. Und einen double-blind hatte ich bisher noch nie geübt. Dank John Salem, der mir mit seiner Erfahrung seinem Wissen, und seiner exzellenten Beobachtungsgabe (auch er hatte schließlich 3 Tage lang meinen Götz mit beobachtet) unterwegs einige viele Male aushelfen mußte, kamen wir zwar an, aber zufrieden war ich mit meiner Leistung nicht, denn: Ohne John's Hilfe wären Götz und ich irgendwo gelandet, aber nie und nimmer beim Runner...

Seit diesem Tag allerdings trainieren wir oft und vor allem regelmäßig double-blind Trails! Auch wenn das gelegentlich durchaus mal heißt, daß wir nicht ankommen... aber das gehört zum ehrlichen Mantrailing, wie wir es verstehen mit dazu!



Ab wann kann man double blinds ins Training einbauen?

Double-Blinds im Training sollten erst dann überhaupt gelaufen werden, wenn das Mensch-Hund-Team soweit ist; also dann, wenn der Mensch seinen Hund verlässlich lesen kann, und der Hund ebenso verlässlich auf dem Trail überhaupt arbeitet!

Double-Blinds als reiner Selbstzweck, also nur um stolz sagen zu können "wir laufen sie regelmäßig im Training", während man aber in Wahrheit sehr oft gar nicht mehr am Ziel ankommt und die Trails abbrechen muß, sind mehr als sinnbefreit und sollten unbedingt vermieden werden, bis das Mensch-Hund-Team überhaupt soweit ist! Denn aus ständig abgebrochenen double-blinds lernt ebenfalls niemand etwas...



Unbewußte Körpersprache auf dem Trail

Wir Menschen achten selten bewußt auf unsere Körpersprache. Wir bewegen uns halt irgendwie, aber wir achten nicht bewußt darauf, wie wir uns bewegen, und welche Informationen wir gerade auch unseren Hunden damit geben. Unsere Hunde sind Meister im lesen und verstehen unserer körpersprachlichen Signale, auch - und vor allem auch - der uns unbewußten! Der "Klassiker" ist z.B. der Hund der "hiiiiieeer!" gerufen wird, und nur sehr zögerlich auf seinen Menschen zugerannt kommt. Ganz oft liegt dies darin begründet, daß der Mensch frontal zum Hund steht, sich leicht nach vorn über beugt. Die wirkt auf Hunde leider "bedrohlich" ... und deshalb kommen sie, wenn sie so gerufen werden, oft auch nur zögerlich heran. Der Mensch jedoch ist sich seiner Körpersprache nicht bewußt, und denkt "Was für ein sturer Dackel!".

Auch auf single-blind Trails haben wir dieses Phänomen. Nur das hier nicht nur der Hundeführer sondern gleich die komplette Entourage dem Hund massenweise körpersprachliche Signale liefert, die dieser durchaus sowohl mitbekommt, wie auch durchaus folgerichtig interpretieren kann. Wie gesagt: Anders als wir, sind Hunde wahre Meister im lesen der menschlichen Körpersprache! Sie üben dies schließlich ihr ganzes Leben lang, bis zu 24 Stunden am Tag, an 7 Tagen die Woche!



Körpersprache auf dem Trail, einige Beispiele

Beispiel 1:

Unbewußte Körpersprache kann Hunde auf dem Trail beeinflussen, wenn sie nicht wirklich den Scent arbeiten

Trailverlauf: Von links kommend, nach rechts verlaufend. Das Team hatte die linke Seite schon abgecheckt, das Fenster bei der Ausgabe von Mäcces. war geöffnet, der Runner war bei Mäcces gewesen und hatte sich einen Kaffee geholt. Da er warten mußte, dürfte sicherlich Scent auch aus dem geöffneten Fenster geflossen sein. Der Hund zog nun - völlig richtig, denn dort war der Runner gelaufen - in Richtung Eingang von Mäcces.

Eigentlich (!!) hätte die Hundeführerin ihren Hund, der wie man sieht eindeutig den Trail arbeitet dort hin lassen müssen... Aber, wie wir alle wissen, ist dies bei "Hobbytrailern" so eine Sache, und gewissen Dinge die bei Einsatztrailern durchaus möglich sind, gehen bei uns absolut nicht! Und einen Trail rein zu Mäcces gehört ganz klar zu den "No-Go's!" in unserem Training! Das gibt nur Ärger, und deshalb hat die Hundeführerin ihren Mali hier leider auch - deutlich sichtbar (gespannte Leine, zurückgelehnter Oberkörper) - massiv bremsen müssen. Gleichzeitig zeigen ihre Fußspitzen bereits in die von ihr vermutete Richtung des Trailverlaufes, nämlich nach rechts. Dies sind körpersprachliche Signale, die der Hund durchaus mitbekommt, und ihn (sofern er nicht, wie hier, ohnehin den Trail super arbeitet) durchaus in die "richtige Richtung" drücken können!

In dem o.g. Fall hat der Mali zwar nicht in den Eingangsbereich gekonnt, hat den Trail - nach kurzer Ausarbeitung des Bereichs vor dem Eingang zu Mäcces - wieder sauber aufgenommen, und ihn bis zum Schluß sehr engagiert und sauber gearbeitet.



Beispiel 2:

Die Füße zeigen noch in die letzte Laufrichtung, der Oberkörper ist aber schon zum Hund hingewendet

Trailverlauf: Wir kamen aus der Richtung von hinter der Hundeführerin, als der Hund plötzlich eine scharfe Rechtsbiegung machte, und den Sandhügel untersuchte. Die Fußspitzen der Hundeführerin, zeigen noch in die "letzte Laufrichtung", da sie im Moment gestoppt hatte, der Oberkörper ist aber bereits in Richtung des Hundes gedreht.

Nachdem der Hund den Sandhügel intensiv abgesucht hat (der Runner hatte diesen auf der anderen Seite passiert, so daß sicherlich Scent von ihm auf dem Hügel vorhanden gewesen sein wird), kam er später dann wieder zurück, um den Abgang vor dem Sandhügel richtig zu finden!

Wie auch das Team im vorhergehenden Bild, trainiert auch dieses Mensch-Hund-Gespann regelmäßig double-blinds, d.h. diese Hundeführer können ihre Hunde wirklich lesen und interpretieren!



Beispiel 3:

Durch die seitliche Drehung zum Hund, wird diesem der Weg zurück optisch nicht verstellt

Trailverlauf: Wir kamen von links auf dem Gehweg vor dem Eingang. Der Trail wurde vom Runner direkt rechts von dem Eingangsbereich gestartet, indem er seinen Scentartikel dort aufgehängt hat. Der Hund lief nach dem Start am Geruchsartikel sofort in den Eingangsbereich. Die Hundeführerin mußte bis dahin wo sie im Bild steht folgen, da sich die Leine um ein Hindernis gewickelt hatte, und wieder gelöst werden mußte.

Wie man sehr schön sieht, hat sie sich seitlich zum Hund gestellt, um ihm nicht optisch den Weg "zuzumachen". Ihre körpersprachlichen Signale geben keine "gedachte / vermutete Richtung" vor, in der sie den Trail vermutet. Vielmehr beobachtet sie sehr genau ihren Hund, und läßt ihn arbeiten...



Beispiel 4:

Für uns persönlich, das wirklich ultimative No-Go! auf jedem Trail: Der "Wisser" zeigt (!!) in die Richtung des Trailverlaufes, obwohl und vermutlich weil, Hund und Hundeführer "falsch" sind. Sorry, aber so etwas geht gar nicht. Genauso wie das oft zu beobachtende stehenbleiben vom Wissers / von der Entourage an einer Kreuzung, wenn Hund und Hundeführer "falsch" laufen, oder das auch oft gesehene überholen des Mantrail-Teams durch die Entourage (besonders, wenn man angeblich "double-blind" läuft).

Der Fingerzeig in die Trailrichtung - das ultimative No-Go auf jedem Trail!

Ganz ehrlich? Das bekommt nicht nur der Hund mit, auch ich als Hundeführer bekomme derartig "subtile" Hinweise natürlich mit, und merke dann "wir sind wohl falsch gelaufen". Durch derartig "unauffällige" Maßnahmen werden dann oft, der nicht arbeitende Hund, und sein ihn nicht lesen könnender Hundeführer, letztlich ganz simpel in die "richtige" Richtung gedrückt...und freuen sich am Ende, wie toll der Hund den Trail wieder mal "gearbeitet" hat...

Spätestens wenn solche Dinge auf dem Trail vorkommen, sollte es eigentlich jedem klar werden, warum double-blind Training durchaus seine Berechtigung hat:

Nur bei "echten double-blind Trails" - bei denen es keinen "Wisser" auf dem Trail gibt - werden nämlich folgende Tatsachen schonungslos ans Licht befördert:

1) Arbeitet der Hund wirklich den Geruch, oder wird er zum Runner "geführt"?

2) Kann der Hundeführer seinen Hund wirklich lesen und richtig interpretieren, oder werden sie - durch mehr oder weniger subtile, unbewußte körpersprachliche Hinweise der "Wisser" auf dem Trail, zum Runner "hingetragen"?



2016, www.teckel-on-tour.de